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Später


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Rezension von

Thomas Stumpf

Später Jamie Conklin berichtet rückblickend über verstörende Ereignisse aus seiner Kindheit, die er mit seiner alleinerziehenden Mutter, einer Literaturagentin, verbrachte. Dabei reflektiert er selbstverständlich und verwendet häufig das Wort „später“, was den Titel des Buches erklärt. Und seine Kindheit hatte es in sich. Der kleine Jamie entdeckt im Alter von 6 Jahren seine besondere Begabung. Er kann frisch verstorbene Menschen sehen und sich mit Ihnen unterhalten. Wem das bekannt vorkommt, sollte sich nicht sorgen. King spielt ganz offen damit, dass dies nicht ganz so sei, wie in dem berühmten Film mit Bruce Willis („The Sixth Sense“). Und es gibt feine Unterschiede. Das Zeitfenster für die Kommunikation mit den Verstorbenen ist klein, denn die Toten verschwinden nach wenigen Tagen auf Nimmerwiedersehen. Und: Die Toten müssen Jamie stets die Wahrheit sagen, sie können ihn nicht belügen. Das Ganze hat mich eher an den großartigen und überaus lesenswerten Roman „Odd Thomas“ von Dean Koontz erinnert. Die Kindheitsgeschichte spielt im Jahr 2008 während der Wirtschafts- und Immobilienkrise unter Obama. Und anders als die meisten King-Geschichten spielt „Später“ nicht in der Provinz von Neu England, sondern im Zentrum der Krise, New York City. Auch Jamies Mutter, die mittlerweile mit der Polizistin Liz liiert ist, hat ihren Job verloren und die kleine Familie macht einen sozialen Abstieg durch, den so viele zu dieser Zeit erleben mussten. Liz dagegen hat sich eine krisensichere Nebentätigkeit zugelegt: Drogenhandel. Doch das läuft aus dem Ruder und zudem scheint sie mit der Zeit selbst ihre beste Kundin zu werden. Für Jamies Mutter, zu der er eine enge Bindung hat, bricht die berufliche Welt vollends zusammen als ihr wichtigster Klient, ein bestsellender Erfolgsautor, verstirbt, noch dazu ohne zuvor den letzten Teil seiner meistverkauften Saga verfasst zu haben. Da reift eine Idee in ihr, denn Jamie verfügt ja über dieses besondere Talent. Und so kommt es, dass überraschend posthum doch noch das letzte Buch veröffentlicht wird und rasenden Absatz findet. Jamies Mutter hat den Roman nach den exakten und detaillierten Vorgaben des verstorbenen Autors, die dieser dem kleinen Jamie diktierte, einfach selbst geschrieben. Doch auch für Liz muss Jamie seine Fähigkeiten einsetzen, allerdings nicht freiwillig. Und dann ist da noch ein Serienbombenleger, der die Stadt in Atem hält. „Später“ ist nicht Kings innovativste Geschichte, aber dennoch schön erzählt. Seit gut 20 Jahren kann man King durchaus als politischen Autor begreifen, was die meisten seiner Veröffentlichungen in diesem Zeitraum belegen. Diesmal zeichnet er auf nur gut 300 Seiten eine aussagekräftige Skizze über die Zeit der Wirtschaftskrise, demonstriert am Mikrokosmos um den kleinen Jamie. Zugleich geht es, wie so oft bei King, um die Machtlosigkeit des Kindes, das der Willkür der Erwachsenenwelt ausgesetzt ist. Wie schon in „Finderlohn“ wirft King zudem auf die Literaturbranche ein zwielichtiges Licht und spielt mit den Themen Urheberschaft und Originalität. Doch so ganz losgelöst vom üblichen King-Universum ist „Später“ nicht, ganz im Gegenteil. Stephen King macht einen Ausflug in die Vergangenheit zu einem Roman, den er vor mehr als drei Jahrzehnten veröffentlichte und den die meisten wohl als seinen besten einordnen würden. In „Später“ nimmt - in Gestalt des Bombenlegers - ein „Es“ Gestalt an und es kommt wieder zum Ritual von Chüd. Deutlicher könnte die Reminiszenz nicht sein. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es dann aber doch: das letzte Kapitel. Die Story ist zu Ende erzählt und man könnte das Buch eigentlich zufrieden zuschlagen. Da klatscht King völlig unerwartet und entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten ein weiteres Kapitel dran und macht sinnloserweise nochmals ein Fass auf, das er wer weiß wo aufgetrieben hat. Was mich daran am meisten ärgert und mein Unverständnis hervorruft, ist nicht der Inhalt dieses Fasses, sondern dass der Inhalt dieses Fasses das gesamte Buch über gar keine Rolle gespielt hat und völlig irrelevant für Handlung und Figurenführung war. Wieso gräbt er das Ding am Ende dann noch aus, obwohl es überhaupt keinen Zusammenhang gibt? Habe ich nicht verstanden. Meines Erachtens hätte es das nicht gebraucht, weil es nicht Gegenstand der zuvor erzählten Geschichte war. Es wirkt, als habe King das um jeden Preis noch loswerden wollen. Sei´s drum. „Später“ ist insgesamt eine unspektakuläre, aber gute und ruhig erzählte Geschichte, die mir, abgesehen vom letzten Kapitel, gefallen hat. Auch wenn die zugrunde liegende Idee nicht neu ist, die Umsetzung ist gelungen. Besonders der Aspekt, dass die Toten immer die Wahrheit sagen, verleiht der Geschichte das gewisse Etwas.

Jamie Conklin berichtet rückblickend über verstörende Ereignisse aus seiner Kindheit, die er mit seiner alleinerziehenden Mutter, einer Literaturagentin, verbrachte. Dabei reflektiert er selbstverständlich und verwendet häufig das Wort „später“, was den Titel des Buches erklärt. Und seine Kindheit hatte es in sich.

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Der kleine Jamie entdeckt im Alter von 6 Jahren seine besondere Begabung. Er kann frisch verstorbene Menschen sehen und sich mit Ihnen unterhalten. Wem das bekannt vorkommt, sollte sich nicht sorgen. King spielt ganz offen damit, dass dies nicht ganz so sei, wie in dem berühmten Film mit Bruce Willis („The Sixth Sense“). Und es gibt feine Unterschiede. Das Zeitfenster für die Kommunikation mit den Verstorbenen ist klein, denn die Toten verschwinden nach wenigen Tagen auf Nimmerwiedersehen. Und: Die Toten müssen Jamie stets die Wahrheit sagen, sie können ihn nicht belügen. Das Ganze hat mich eher an den großartigen und überaus lesenswerten Roman „Odd Thomas“ von Dean Koontz erinnert.

Die Kindheitsgeschichte spielt im Jahr 2008 während der Wirtschafts- und Immobilienkrise unter Obama. Und anders als die meisten King-Geschichten spielt „Später“ nicht in der Provinz von Neu England, sondern im Zentrum der Krise, New York City. Auch Jamies Mutter, die mittlerweile mit der Polizistin Liz liiert ist, hat ihren Job verloren und die kleine Familie macht einen sozialen Abstieg durch, den so viele zu dieser Zeit erleben mussten. Liz dagegen hat sich eine krisensichere Nebentätigkeit zugelegt: Drogenhandel. Doch das läuft aus dem Ruder und zudem scheint sie mit der Zeit selbst ihre beste Kundin zu werden. Für Jamies Mutter, zu der er eine enge Bindung hat, bricht die berufliche Welt vollends zusammen als ihr wichtigster Klient, ein bestsellender Erfolgsautor, verstirbt, noch dazu ohne zuvor den letzten Teil seiner meistverkauften Saga verfasst zu haben. Da reift eine Idee in ihr, denn Jamie verfügt ja über dieses besondere Talent. Und so kommt es, dass überraschend posthum doch noch das letzte Buch veröffentlicht wird und rasenden Absatz findet. Jamies Mutter hat den Roman nach den exakten und detaillierten Vorgaben des verstorbenen Autors, die dieser dem kleinen Jamie diktierte, einfach selbst geschrieben. Doch auch für Liz muss Jamie seine Fähigkeiten einsetzen, allerdings nicht freiwillig. Und dann ist da noch ein Serienbombenleger, der die Stadt in Atem hält.

„Später“ ist nicht Kings innovativste Geschichte, aber dennoch schön erzählt. Seit gut 20 Jahren kann man King durchaus als politischen Autor begreifen, was die meisten seiner Veröffentlichungen in diesem Zeitraum belegen. Diesmal zeichnet er auf nur gut 300 Seiten eine aussagekräftige Skizze über die Zeit der Wirtschaftskrise, demonstriert am Mikrokosmos um den kleinen Jamie. Zugleich geht es, wie so oft bei King, um die Machtlosigkeit des Kindes, das der Willkür der Erwachsenenwelt ausgesetzt ist. Wie schon in „Finderlohn“ wirft King zudem auf die Literaturbranche ein zwielichtiges Licht und spielt mit den Themen Urheberschaft und Originalität.

Doch so ganz losgelöst vom üblichen King-Universum ist „Später“ nicht, ganz im Gegenteil. Stephen King macht einen Ausflug in die Vergangenheit zu einem Roman, den er vor mehr als drei Jahrzehnten veröffentlichte und den die meisten wohl als seinen besten einordnen würden. In „Später“ nimmt - in Gestalt des Bombenlegers - ein „Es“ Gestalt an und es kommt wieder zum Ritual von Chüd. Deutlicher könnte die Reminiszenz nicht sein.

Einen kleinen Wermutstropfen gibt es dann aber doch: das letzte Kapitel. Die Story ist zu Ende erzählt und man könnte das Buch eigentlich zufrieden zuschlagen. Da klatscht King völlig unerwartet und entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten ein weiteres Kapitel dran und macht sinnloserweise nochmals ein Fass auf, das er wer weiß wo aufgetrieben hat. Was mich daran am meisten ärgert und mein Unverständnis hervorruft, ist nicht der Inhalt dieses Fasses, sondern dass der Inhalt dieses Fasses das gesamte Buch über gar keine Rolle gespielt hat und völlig irrelevant für Handlung und Figurenführung war. Wieso gräbt er das Ding am Ende dann noch aus, obwohl es überhaupt keinen Zusammenhang gibt? Habe ich nicht verstanden. Meines Erachtens hätte es das nicht gebraucht, weil es nicht Gegenstand der zuvor erzählten Geschichte war. Es wirkt, als habe King das um jeden Preis noch loswerden wollen. Sei´s drum.

„Später“ ist insgesamt eine unspektakuläre, aber gute und ruhig erzählte Geschichte, die mir, abgesehen vom letzten Kapitel, gefallen hat. Auch wenn die zugrunde liegende Idee nicht neu ist, die Umsetzung ist gelungen. Besonders der Aspekt, dass die Toten immer die Wahrheit sagen, verleiht der Geschichte das gewisse Etwas.

geschrieben am 17.05.2021 | 716 Wörter | 4005 Zeichen

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