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Anthropologie - Bildung - Demokratie


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Rezension von

Ragan Tanger

Anthropologie - Bildung - Demokratie Umständliches Wagnis Starke, aber schwerfällige Kulturkritik Kulturkritische Befunde stehen unter Verdacht. So lautet der Einstiegssatz des Vorwortes von Olaf Jann, Sozial- und Politikwissenschaftler der Universität Marburg. Und zwar unter demjenigen, so führt der Herausgeber Christoph Hungeling weiter aus, nicht der angepassten und glatten Gouvernementmentalität deutscher Funktionalität zu entsprechen und somit von den scheuklappenblinden Wissenschaftlern und Politikern unserer Zeit ins Abseits geschoben zu werden. Eine zumindest interessante Tatsache ist es, dass hier jemand aufsteht und sich erhebt gegen, nicht nur, aber hier besonders, aalglatte teutonische Staats- und Insititutionsdienerei. Und diese Aktivität erfolgt zwar aus der wissenschaftlichen Perspektive selbst, um sie - leider, und das ist der Schuss ins Bein, um das Ergebnis dieser Besprechung vorwegzunehmen – auf der gleichen Ebene wie jene, die kritisiert werden will, letztlich zu unterfüttern. Die Themenauswahl an sich ist beachtlich, die zusammengetragenen Professoren und Doktoren der unterschiedlichsten Wissenschaftsgebiete mit ihrer Interdisziplinarität anregend. Vom Elend real existierender Demokratien, vom Geschlechterdualismus im Rahmen der politischen Anthropologie, von der traurigen Regression des Leseverhaltens und dem schon in der Einleitung erwähnten Dilemma der modernen Bildungspolitik ist en Detail die Rede. Aber auch schon dort, im Eingangfoyer, müssen wir mit Harald Lesch Bekanntschaft machen, dem leider allzu omnipräsenten Astrophysiker aus München, der ja an Witz und Eloquenz zumindest allzu unwissenschaftlich daherkommt und mit seiner Deutlichkeit (Zum Teufel damit!) dem politischen Bildungssparzwang die Hörner aufsetzt. Aber wird an Harald Lesch und letztlich an den hier im Buch versammelten Beiträgen nicht das wahre Dilemma unserer Kultur der Post-Post-Moderne, wie Olaf Jann sie halb fragend tituliert, deutlich? Denn so sehr Lesch die Politiker zum Teufel wünschen will, so wenig kann er den von ihm beschworenen Dämon in seiner Transzendenz begreifen. Leschs physikalische Erläuterungen sind die Ausgeburt aufklärerischer Beschränktheit; da mag man noch so weit gucken können und erdähnliche Welten entdecken. Es bleibt beim aufgeklärten Skeptizismus. Und nicht anders stellen sich die Beiträge in diesem Buch dar. Die bedauernswerte Leseregression oder auch die psychoesoterischen Wurzeln der Moderne mögen wichtige, kritische und essentielle Grundgedanken zum Diskutieren anbieten, nur warum werden sie so kompliziert und unfassbar umständlich aufbereitet? Da soll jetzt nicht in einer generellen Wissenschaftskritik ausarten, aber wer wie Hungeling in der Einleitung postuliert, sich von anderen, allzu biederen und angepassten Eliten abheben zu wollen, der sollte zumindest auch versuchen, deren Dialektik zu konterkarieren, anstatt diese höflich zu bedienen. Selbst für studierte Menschen sind die Ansammlung von Fachtermini und die weltentfremdete Beschreibung von eigentlich recht naheliegenden Phänomenen hier frappierend. Das ist schade, denn die gedanklichen Ansätze sind allzu lobenswert, vor allen Dingen Hungelings Beitrag selbst sowie der von Alexander Schmidt zur literarischen Propädeutik sind gelungen, tiefblickend und gekonnt überlegt. Am Ende des Beitrags von Olaf Jann findet sich folgendes Bonmot: Allein der kritische Weg ist noch offen. Kant wird – warum auch nicht – zitiert. Nun, wenn er offen ist, so bitte ich darum (und kritisiere offen), die Umständlichkeit eigentlich naheliegender und zur Redundanz auffordernder Objektivitäten zu minimieren. Man wird in diesem intellektuell reich bestücktem Sammelband von einem jungen Menschen wie Hungeling, der gerade erst das Studium beendet hat (was übrigens allen Respekt verdient), viele Anregungen finden. Nur sollte man sie bitte anders umsetzen, als mit Worten, die den Körper und das Selbst verstören. Stattdessen fordern wir Taten und Strukturen, die eben jene zentralen Bereiche umfassend repräsentieren.

Umständliches Wagnis

weitere Rezensionen von Ragan Tanger


Starke, aber schwerfällige Kulturkritik

Kulturkritische Befunde stehen unter Verdacht. So lautet der Einstiegssatz des Vorwortes von Olaf Jann, Sozial- und Politikwissenschaftler der Universität Marburg. Und zwar unter demjenigen, so führt der Herausgeber Christoph Hungeling weiter aus, nicht der angepassten und glatten Gouvernementmentalität deutscher Funktionalität zu entsprechen und somit von den scheuklappenblinden Wissenschaftlern und Politikern unserer Zeit ins Abseits geschoben zu werden. Eine zumindest interessante Tatsache ist es, dass hier jemand aufsteht und sich erhebt gegen, nicht nur, aber hier besonders, aalglatte teutonische Staats- und Insititutionsdienerei. Und diese Aktivität erfolgt zwar aus der wissenschaftlichen Perspektive selbst, um sie - leider, und das ist der Schuss ins Bein, um das Ergebnis dieser Besprechung vorwegzunehmen – auf der gleichen Ebene wie jene, die kritisiert werden will, letztlich zu unterfüttern.

Die Themenauswahl an sich ist beachtlich, die zusammengetragenen Professoren und Doktoren der unterschiedlichsten Wissenschaftsgebiete mit ihrer Interdisziplinarität anregend. Vom Elend real existierender Demokratien, vom Geschlechterdualismus im Rahmen der politischen Anthropologie, von der traurigen Regression des Leseverhaltens und dem schon in der Einleitung erwähnten Dilemma der modernen Bildungspolitik ist en Detail die Rede. Aber auch schon dort, im Eingangfoyer, müssen wir mit Harald Lesch Bekanntschaft machen, dem leider allzu omnipräsenten Astrophysiker aus München, der ja an Witz und Eloquenz zumindest allzu unwissenschaftlich daherkommt und mit seiner Deutlichkeit (Zum Teufel damit!) dem politischen Bildungssparzwang die Hörner aufsetzt.

Aber wird an Harald Lesch und letztlich an den hier im Buch versammelten Beiträgen nicht das wahre Dilemma unserer Kultur der Post-Post-Moderne, wie Olaf Jann sie halb fragend tituliert, deutlich? Denn so sehr Lesch die Politiker zum Teufel wünschen will, so wenig kann er den von ihm beschworenen Dämon in seiner Transzendenz begreifen. Leschs physikalische Erläuterungen sind die Ausgeburt aufklärerischer Beschränktheit; da mag man noch so weit gucken können und erdähnliche Welten entdecken. Es bleibt beim aufgeklärten Skeptizismus. Und nicht anders stellen sich die Beiträge in diesem Buch dar. Die bedauernswerte Leseregression oder auch die psychoesoterischen Wurzeln der Moderne mögen wichtige, kritische und essentielle Grundgedanken zum Diskutieren anbieten, nur warum werden sie so kompliziert und unfassbar umständlich aufbereitet?

Da soll jetzt nicht in einer generellen Wissenschaftskritik ausarten, aber wer wie Hungeling in der Einleitung postuliert, sich von anderen, allzu biederen und angepassten Eliten abheben zu wollen, der sollte zumindest auch versuchen, deren Dialektik zu konterkarieren, anstatt diese höflich zu bedienen. Selbst für studierte Menschen sind die Ansammlung von Fachtermini und die weltentfremdete Beschreibung von eigentlich recht naheliegenden Phänomenen hier frappierend. Das ist schade, denn die gedanklichen Ansätze sind allzu lobenswert, vor allen Dingen Hungelings Beitrag selbst sowie der von Alexander Schmidt zur literarischen Propädeutik sind gelungen, tiefblickend und gekonnt überlegt.

Am Ende des Beitrags von Olaf Jann findet sich folgendes Bonmot: Allein der kritische Weg ist noch offen. Kant wird – warum auch nicht – zitiert. Nun, wenn er offen ist, so bitte ich darum (und kritisiere offen), die Umständlichkeit eigentlich naheliegender und zur Redundanz auffordernder Objektivitäten zu minimieren. Man wird in diesem intellektuell reich bestücktem Sammelband von einem jungen Menschen wie Hungeling, der gerade erst das Studium beendet hat (was übrigens allen Respekt verdient), viele Anregungen finden. Nur sollte man sie bitte anders umsetzen, als mit Worten, die den Körper und das Selbst verstören. Stattdessen fordern wir Taten und Strukturen, die eben jene zentralen Bereiche umfassend repräsentieren.

geschrieben am 25.10.2010 | 540 Wörter | 3465 Zeichen

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